«Если душа родилась крылатой...»

Nicht liebenswertes, aber sauberes Städtchen

Eine russische Besucherin über St. Blasien / Erinnerung an die Schriftstellerin Marina Iwanowa Zwetajewa.

 
 
Marina Iwanowa Zwetajewa auf einer Aufnahme des Fotografen Pyotr Ivanovich Shumov aus dem Jahr 1925. Foto:  Wikipedia

ST. BLASIEN. Ein Brief bringt eine Anfrage nach St. Blasier Spuren und Erinnerungsdokumenten der russischen Schriftstellerin Marina Iwanowa Zwetajewa ins Haus. Man ist verdutzt, weil der Name – es sei unumwunden eingestanden – auf Anhieb keinen Erkennungseffekt auslöst. Der normale Bildungsbürger ist schließlich kein wandelndes Lexikon. Die Wissenslücke, die keine Bildungslücke sein muss, schließen Enzyklopädien (auch ganz aktuelle) und natürlich das Internet.


Marina Zwetajewa wird am 26. September 1892 in Moskau geboren und begeht am 31. August 1941 in Jelabuga Selbstmord. Dazwischen liegen schöpferische Jahrzehnte als eine der "bedeutendsten Lyrikerinnen der russischen Moderne" (Brockhaus Enzyklopädie) und ein Emigrantenleben in Prag, Berlin und Paris. Die Dichterin verwendet "eigenwillig und kunstvoll Themen und Formen der russischen Folklore, der deutschen Romantik und Klassik und des russischen und französischen Modernismus", ist im Brockhaus zu lesen.

Und wo bleibt St. Blasien? Die Tochter eines Moskauer Professors und Museumsdirektors lernt zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester unser Städtchen im Jahre 1905 kennen. Der Mutter waren wegen der Lungenerkrankung Auslandsaufenthalte verordnet worden, die sie auch für einige Wochen nach St. Blasien führten. Darüber berichtet die Schwester Anastasia in ihrem Erinnerungsbändchen "Kindheit mit Marina" oder in der späteren Übersetzung einfach nur "Erinnerungen" (zwei Übersetzungen im Limes und Kiepenheuer Verlag).

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Das Hotel, in dem die Schwestern abgestiegen sind, liege direkt an der Straße, die zu Mutters Sanatorium führe. "Am Ende des Nadelwaldes stehen blaugrüne Tannen. Auf verglasten Terrassen liegen die Kranken", schreibt Schwester Anastasia. Die örtliche Zuordnung ist allerdings sehr allgemein. Sympathisch wird das Dienstmädchen Anna Hoberle empfunden, auch wenn "gleich beim Eintreten und Beschnuppern des Hauses" von den russischen Gästen begriffen wird, "dass wir diesen Ort nicht lieben würden".

Mit "Ort" ist ausdrücklich das Hotel gemeint, das Städtchen wird aber nicht ganz ausgeschlossen: "Diese Zimmer und vielleicht sogar das ganze Sankt Blasien waren nicht liebenswert." In den Gaststuben herrsche Lärm und Durcheinander – "keinerlei Behaglichkeit, alles ausgerichtet auf einen leichten Verdienst durch Bier und Wein."

Aber dann gibt es doch noch einen lobenden Ausgleich im Empfinden der Zwetajewa-Schwestern: "Wir unternahmen Spaziergänge auf den Hügeln, den Hängen und Waldlichtungen, die das saubere Städtchen umgaben."

Das mit "vielleicht" eingeschränkte Urteil über St. Blasien als "nicht liebenswert" sei der Anastasia Zwetajewa nachgesehen – wer könnte schon reine Freude empfinden über den Ort, an dem die todkranke Mutter Heilung sucht? Immerhin finden Umgebung, Landschaft und Natur ("Der nahe Sonnenuntergang überzog das vor uns liegende Sankt Blasien mit goldenem Staub") freundliche und gefühlvolle Anerkennung. Ein Jahrhundert ist verweht, die Dichterin Marina Zwetajewa hat St. Blasien gerade nur gestreift, aber doch mit literarischem Niederschlag und als weiterer Eintrag in St. Blasiens prominenter Gästeliste.


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Источник:

http://www.badische-zeitung.de/st-blasien/nicht-liebenswertes-aber-sauberes-staedtchen--67218000.html

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